Der Ochse

So Freunde, ihr haltet jetzt mal alle die Luft an. Vor allem ihr Mäuse hört auf hier so große Töne zu spucken. Ihr benehmt euch ja schon wie die Menschen. In unserem Stall gibt es Platz genug. Zumindest solange die Schafe mit den Hirten auf den Feldern draußen vor der Stadt sind. Wenn wir alle ein bisschen zusammenrücken und Rücksicht aufeinander nehmen, dann klappt das schon. Was sind schon zwei oder vielleicht auch bald drei Menschen und ein Esel. Wäre doch gelacht, wenn wir die nicht noch gut in unserem Stall unterkriegen. Und nur weil Menschen nicht auf vier Beinen laufen können, müssen sie ja nicht gleich Probleme machen. Die beiden da hinten sehen doch eigentlich ganz harmlos aus. Gut, okay, dass sie ihr Lager direkt über dem Mauseloch aufgeschlagen haben, ist jetzt vielleicht ein bisschen ungeschickt. Aber wie sagt der Brite so schön, „nobody is perfect!“
Also lassen wir jetzt die Kirche mal im Dorf. Gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln. Wir sollten es mit den Menschen genau so halten, wie wir das auch mit allen anderen, die ein Dach über dem Kopf, ein bisschen Gesellschaft und Wärme brauchen, immer getan haben. Unsere Stalltür steht für alle offen. Wer hier hereinschneit ist herzlich willkommen in unserer bunten Gesellschaft und wer sich einfach nicht an unsere Regeln halten kann, fliegt raus!
Eines muss ich allerdings noch klar stellen, bevor wir hier zum gemütlichen Teil übergehen:
Esel, du machst dich hier neben mir mal nicht so breit, ja, bleibst mit deiner Schnauze meinem Futtertrog fern und schnarchst nicht so laut.
Der Rest von uns macht einfach das, was er immer tut und verhält sich dabei möglichst ruhig. Unsere Gäste scheinen einen langen Weg hinter sich zu haben und brauchen jetzt erst einmal ein bisschen Ruhe. Im Übrigen sollten wir auch zusehen, dass jeder von uns noch eine Mütze voll Schlaf bekommt. Wenn ich mir die Frau so ansehe und meinen großen Erfahrungsschatz zu rate ziehe, würde ich sagen uns steht heute Nacht noch ein großes Ereignis ins Haus, oder besser, in den Stall. Da werden wir unsere Nerven und unsere Kraft noch brauchen. Den jungen Lämmern helfen im Notfall immer die Hirten auf die Welt. Aber die Zweibeiner da hinten sind ganz alleine. Wer weiß, ob die beiden Erfahrung haben, mit dem was kommt oder ob es einen guten Hirten gibt, der seine schützende Hand über sie hält.

Heike Nied

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